Mittwoch, 19. September 2012

TOM MEETS ZIZOU



Die Welt des Fussballs ist nicht gerade der Inbegriff für eine Vereinigung der grössten Denker. "Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien!" oder "Das ist eine Deprimierung" (mit bestem Dank an Andreas "Heulsuse" Möller) sind eher Sätze, welche wir in Verbindung mit den Fussballstars dieser Welt bringen. Hierzulande gab und gibt es noch immer Spitzenfussballer mit eingebautem Entertainment-Programm im Sprachzentrum. Zum Beispiel die Herren Sforza und Hakan Yakin welche gefühlt alle Interviews stets mit einem "Jo, wie xeit..." begannen. Ja, sogar der Basler Alexander Frei, welcher von mir in höchstem Masse geschätzt wird, hatte früher den Spleen, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen ("Alex Frei wäre nicht Alex Frei, wenn er nicht...." - Alex Frei). Fussballer - eher einfache und bodenständige Menschen, quasi nicht-krüppelnde Bauern mit einem zu hohen (nicht vom Staat subventionierten) Lohn...

Inhalt:
Im Jahr 2004 setzte der junge Spieler Thomas Broich seinen Fuss erstmals auf 1. Bundesliga-Rasen. Er galt mit Lahm, Schweinsteiger und Podolski als eines der grössten Fussballtalente des grossen Kantons. Acht Jahre Lang begleitete der Filmemacher Aljoscha Pause den sensiblen Spieler, welcher von den Medien wegen seiner Affinität zu klassischer Musik als "Spielender Mozart" bezeichnet wurde und zeigt auf, wie steinig der Weg im Fussballbusiness doch ist, wenn das eigene Gehirn zuviel denkt...

Ich erinnere mich noch dunkel an diese Samstage. ARD bekam die Fussballrechte für die 1. Bundesliga zurück und bei Borussia Mönchengladbach spielte dieser Thomas Broich. Der Intellektuelle. Es dauerte dann einige Jahre, bis ich mich während eines Spieltags gefragt habe, was denn aus diesem genialen Spieler geworden ist. Seit 2011 kickt Broich in Australien bei den Brisbane Roar. Was zum Geier hat diesen Ausnahmekönner ins fussballerische Niemandsland verfrachtet?

Die Doku "Tom meets Zizou" umfasst eine Zeitspanne von Ende 2003 bis ins Jahr 2010. Es ist spannend zu sehen, wie sich die Person Thomas von Kapitel zu Kapitel wandelt, wie dieser junge Spieler zu Beginn noch voller Hoffnungen ist, sich auch um eine Karriere in der Nationalmannschaft Gedanken macht, nur um am Ende seiner Deutschlandreise über seine Wohnung in Nürnberg zu sagen "Die Bude, die sieht aus, als wär ich gestern eingezogen, in einer Stadt, in der ich nicht leben will und in einer Situation, in der ich nicht stecken will." Broich spricht absolut offen über seine Gefühlswelt, sein Erlebtes, auch seine Ziele und Erwartungen. Und als Zuschauer beginnt man sich vielleicht zu fragen, warum dieses belesene Gemüt sich ins Haifischbecken Bundesliga gewagt hat. Vorallem einige seiner ehemaligen Trainer kommen nicht so gut weg. Christoph Daums Auftritt wirkt sogar sehr blossstellend für den legendären Trainer mit der vermeintlich fehlenden Nasenscheidewand.

Negativpunkte gibts wenige, einzig die Laufzeit des Streifens ist mit 135 Minuten zu hoch angesetzt. Leicht ermüdend.

"Wenn ich dann noch erfolgreich gewesen wäre, dann wär ich jetzt wohl ein total unausstehlicher Typ", sagt Broich im Rückblick auf seine Zeit in Deutschland. Und damit hat er wohl auch recht. Broichs Charakter wandelt meines Erachtens auf einem schmalen Grat zwischen belesenem und besserwisserischem Arschloch und zwischen dem offenen, sensiblen und symphatischen Typen zugleich.

Schlussendlich wurde Broich nicht zum Weltstar. Er bleibt wohl nur eine etwas grössere Randnotiz in den Geschichtsbüchern der Bundesliga. Doch Broich schaffte es trotzdem sein Glück zu finden. Und dies ist doch irgendwie eine Metapher für alles im Leben. Fuck, vielleicht kannst du bei der geilen Blonden mit den grossen Hupen nicht landen, aber deswegen musst du nicht unglücklich dein Dasein fristen und landest halt bei der netten kleinen Brünetten. Da Glotzen vielleicht nicht soviele Typen darauf, aber das Leben ist vielleicht wesentlich angenehmer und sicherlich nicht schlechter, einfach mit weniger Thrill.

Fazit: Eine äusserst ehrliche und schonungslose Abrechnung mit dem Geschäft Fussball. Eine Doku, nach der man sich wirklich freut, dass Thomas Broich sein Glück nun doch noch gefunden hat.

Schulnote 5.5

 

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